Donnerstag, 25. September 2014 | 20:00 Uhr

Ludwig Laher - Bitter

Ein hochpolitischer Roman über das bewegte Leben eines Kriegsverbrechers, über seine Untaten wie seine erfolgreichen Bemühungen, sich nach 1945 aus der Verantwortung zu stehlen. Bis zu seinem Tod Ende der fünfziger Jahre ist Bitter immer elegant davongekommen, nun wird ihm endlich im Erzählen der Prozess gemacht. Ludwig Laher zeichnet - minutiös recherchiert - in verschiedenen Tonlagen den bemerkenswerten beruflichen wie privaten Werdegang des Gestapo-Chefs von Wiener Neustadt und Massenmörders von Charkow nach (der in Wirklichkeit anders hieß). Manchmal ist der Erzähler distanziert wie ein Chronist, an anderer Stelle ganz nah am Geschehen, sodass er fast in den Kopf seines Helden steigt, dann wieder hält er diese Nähe nicht aus und verschafft sich in Ausbrüchen Luft. Wert legt Laher auf die kleinen, sonst oft übersehenen Details, etwa wenn er erzählt, wie Bitter nach dem Krieg ausgerechnet von einem prominenten jüdischen Anwalt verteidigt wird, dessen Eigentum er Jahre zuvor arisiert hatte, inklusive der großen Limousine, die er stolz durch Wiener Neustadt steuerte. Das moralische Urteil kann keinem Zweifel unterliegen, und doch gestattet Lahers erzählerischer Zugriff, dass man diesem Mann und den Verhältnissen, in denen er sein Unwesen trieb, ganz nahekommt. Rezensionen Der Schriftsteller Ludwig Laher gehört in die Kategorie eines Erich Hackl, vielleicht auch eines Walter Kempowski. All diese Autoren widmen ihr Schaffen den grausamen Seiten der Zeitgeschichte. Sie arbeiten mit Dokumenten, sie graben Lebensgeschichten aus. Und doch findet jeder seine Methode, Opfer zu rehabilitieren und Täter als solche zu decouvrieren. Sie wollen im Nachhinein eine Gerechtigkeit herstellen, der sich das Leben verweigert hat. Nach konventionellen romanhaften Anfängen wurde Walter Kempowski zum besessenen Sammler, Ordner und Monteur von Dokumenten. Erich Hackl ist die am meisten poetische Gestalt. Ausgehend von Dokumenten füllt er Leerstellen mit Fantasie und weist erzählend den Ermordeten und Gefolterten unter Pinochet oder Hitler den Heldenstatus zu. Ludwig Laher ist der Skeptiker unter ihnen. Er wertet Dokumente aus, er überlegt, wie ernst diese zu nehmen sind, weil er mitdenkt, dass jeder Zeuge, der seine Sicht der Dinge vorträgt, bestimmte Interessen verfolgt. Jeder, der aussagt, ist ein ideologischer Parteigänger, der sich auf die ihm vertraute Seite schlägt. (...) Ludwig Laher beschreibt den Mörder von außen, er sucht ihn festzumachen über Dokumente und wagt sich immer wieder nah an den Typus des autoritären Charakters. Mit diesem Buch ist Ludwig Laher weiter gegangen als in seinen Büchern zuvor. Mit Moral allein ist es nicht getan. Er stellt uns einen Menschen vor, der gewandt auftritt, seiner Sache sicher das Böse betreibt und dabei ein einnehmendes Wesen zeigt. Er ist nicht der plakative Wüstling. Dieser Charmeur hat das Zeug zum Töten. So einer wie Bitter kommt nach dem Krieg heil davon, wird nie belangt. So ist das auch ein Buch über den Umgang der Österreicher mit ihrer jüngsten Vergangenheit, als Mörder unangefochten ihren Platz inmitten der Gesellschaft einnehmen durften. Ein Lehrstück, das fassungslos macht. (Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten)

Eintritt
Frei