Donnerstag, 06. Oktober 2016 | 20:00 Uhr

Gefangen, und dann?

Strahlend blauer Himmel über einem blaugrau verputzten Häuschen, dahinter ein mächtiger Kalkfelsen und bewaldete Hügel - am Rande des Dorfes Sumene in Südfrankreich treffen wir um 2000 herum den älteren Mann, dem das Haus gehört. „Ihr seid Deutsche? Da war ich im Krieg. Ich habe Eure Autobahn gebaut!“ Der Mann war René Toureille. Einige Jahre später erzählt uns sein Sohn Christian an gleicher Stelle von der Kriegsgefangenschaft seines Vaters. Auf dem Weg nach Österreich hat René gehungert. Mit der Spitzhacke hat er an der Autobahn gebaut. In den letzten Kriegsjahren arbeitete er aber bei einem Bauern. In den 80er Jahren hat René ihn sogar besucht. Christian zeigt uns Bilder vom Hof in Werfen. Auch Renés Bruder André war in deutscher Kriegsgefangenschaft, in Werdohl im Sauerland. Dessen Sohn Jean erzählt so lebendig, als sei er selbst dabei gewesen: der Vater André hat in Lärm und Hitze Federn produziert, 5 Jahre lang. Er habe alles geduldig ertragen und sich gesagt: „Das geht vorbei wie der Winter.“ Ganz anders sein Schwiegervater Laurent Dejean. Der hat aus der Gefangenschaft in Deutschland immer nur ausbrechen wollen. Seine Tochter Ginette liest uns den Brief eines Kameraden von Laurent vor: Laurent sei (zum zweiten Mal!) aus dem Lager geflohen. Er landete schließlich im Straflager Rawa Ruska. Wir forschen in Deutschland und Österreich nach. Die Autobahn in Österreich, an der René gebaut hat, führte zu Hitlers Gästehaus, Schloss Kleßheim. Bei Staatsbesuchen besetzte die SS den angrenzenden Bauernhof Puttkammer. Der Junior beschreibt, wie seine Eltern sich vor der SS fürchteten. Die Söhne des Bauern Wimmer in Werfen können sich nur vage an Erzählungen über René erinnern. Aber sie haben noch den Kanister, in dem René am Kriegsende Benzin von den Alliierten gebracht hat. Im Sauerland erzählt uns Karl-Heinz Ganser, wie er als Kind mit französischen Kriegsgefangenen gespielt hat, vielleicht auch mit André Toureille. Die Fabrikhalle, in der André gearbeitet hat, steht noch. Vom Straflager Rawa Ruska dagegen gibt es kaum Spuren. Laurent hat nie über das Lager gesprochen – weil die Bedingungen dort unerträglich waren: Hunger, Schwerstarbeit, sadistische Bewacher. Zum Glück finden wir André Servière, der uns erzählt, was er dort erlebt hat… Laurent kommt schon 1943 schwer krank nach Hause. Er erholt sich nie ganz von der Gefangenschaft und stirbt früh. André und René kehren erst nach Kriegsende zurück. André stirbt mit 63 Jahren, René erreicht das hohe Alter von 91 Jahren, so dass er uns noch begegnen kann…

Eintritt
Frei